Bischöfliches Gymnasium
Sankt Ursula
Geilenkirchen
von Christoph Nohn
Überblickt man die mittlerweile mehr als eineinhalb Jahrhunderte währende Periode seit der Gründung der Schule im April 1856, so lassen sich im Groben drei große Abschnitte ausmachen:
Im Folgenden soll diese Struktur einem kurzen Abriss der Schulgeschichte zugrunde liegen.
Es ist kein Zufall, dass das heutige Bischöfliche Gymnasium St. Ursula in Geilenkirchen entstand. Hier existierten um die Mitte des 19. Jahrhunderts günstige Bedingungen für die Gründung einer derartigen Institution: Geilenkirchen besaß als Kreisstadt eine gewisse zentralörtliche Funktion; mit dem Anschluss an die Bahnlinie Aachen-Mönchengladbach war der Ort besser erreichbar als so manche Gemeinde im weiteren Umfeld; ein ehrgeiziger Pfarrer, Johann Martin Heyden, schaffte in seiner Gemeinde ein konservativ-ultramontan ausgerichtetes Profil, das typisch für das katholische Milieu jener Zeit war. Um es zu stärken, bemühte sich der Geistliche, Ursulinen aus dem benachbarten niederländischen Sittard zu gewinnen, die die Mädchenklasse der Volksschule in Geilenkirchen übernehmen sollten. Dies gelang im Juni 1855. Doch Heyden dachte auch daran, eine Höhere Mädchenschule zu errichten, wobei sein Ansinnen Bestrebungen entgegenkam, die es in Geilenkirchen schon seit 1849 gegeben hatte. Mit der Anmietung der alten und ansonsten funktionslos gewordenen Burg, der Keimzelle der Stadt, die bis heute deren ältestes Baudenkmal darstellt, gelang ein wichtiger Schritt: Nicht nur, dass das Anwesen neben der Kirche als Kloster, als Filiale des Mutterhauses in Sittard, dienen konnte; jetzt war auch in ausreichendem Maße Raum vorhanden, um das Vorhaben einer Höheren Mädchenschule weiterzuverfolgen.
Zum 1. April 1856 nahm dann diese Institution ihren Betrieb auf. Was folgte, war ein rascher Ausbau. Nach Anerkennung des Klosters von erzbischöflicher Seite sowie dem Ankauf des Burggeländes (beides 1857) konnte im Oktober 1858 noch vor Anerkennung des Klosters von königlicher Seite (1859) das Internat eingerichtet werden, dessen Einkünfte wesentlich zum Lebensunterhalt des wachsenden Konventes beitrugen. Neben der Höheren Töchterschule sowie der Elementarschule betrieben die Schwestern außerdem ein Waisenhaus und eine Kleinkinderbewahranstalt. Entsprechend wurden die Gebäulichkeiten ausgebaut, vorzugsweise die Vorburg. Hier entstanden eine Kapelle und ein Wohnhaus für den Klostergeistlichen sowie ein großes Haus für das Internat. Die Schülerinnen der Höheren Töchterschule entstammten einer wohlhabenden Klientel, auf die auch die Lehrgegenstände zugeschnitten waren. Leitbild war das Ideal der Ehefrau und Mutter in einer Familie der besseren Kreise, weshalb neben einer Elementarbildung auch Handarbeiten, Musik und sogar Fremdsprachen – Französisch, Niederländisch, Englisch – angeboten wurden. Die religiöse Bildung stellte daneben einen weiteren Schwerpunkt dar.
Nach dem großen Aufschwung der ersten eineinhalb Jahrzehnte, geriet das Kloster im Kulturkampf unter Druck. 1872 wurde den Schwestern der Elementarunterricht entzogen; ab 1875 war der Konvent ständig von Auflösung bedroht. Die Ursulinen übertrugen deshalb ihr Anwesen einem Aachener Privatmann. Nach der Schließung der Kleinkinderbewahrschule und des Waisenhauses konnte das Ende der Höheren Töchterschule und des Konvents noch bis Ende März 1879 hinausgezögert werden. Dann übersiedelte der Konvent mit den Schülerinnen ins niederländische Helden-Panningen, von wo aus man 1883 nach Venlo ging. Das dortige Ursulinenkloster wurzelte also im Geilenkirchener Konvent.
Mit dem Rückerwerb der Burganlage durch die Ursulinen im Sommer 1888 wurden die Voraussetzungen geschaffen, den Schulbetrieb wieder aufzunehmen. Der im Oktober dieses Jahres als Filiale des Venloer Klosters gegründete kleine Konvent eröffnete zunächst wieder die Höhere Töchterschule; im Jahre 1891 folgte schließlich zudem die Übernahme des Kindergartens. Die Schule, die von katholischen, evangelischen und auch jüdischen Schülerinnen besucht wurde, besaß zwar einen größeren Einzugsbereich, konnte aber nicht an die zahlenmäßige Größe aus der Zeit vor dem Kulturkampf anknüpfen. Wegen des kleinen Konvents wurde allerdings erstmals die Einstellung einer weltlichen Lehrerin nötig.
Nachdem das Land Preußen 1908 die Voraussetzungen für das Studium von Frauen geschaffen hatte, stellten sich die Ursulinen der neuen Herausforderung, erreichten die Anerkennung ihrer Schule als Lyzeum, also als Schule für die Sekundarstufe I, wie wir es heute formulieren würden, unter staatlicher Aufsicht. Damit aber musste auch den strengen staatlichen Vorschriften Genüge getan werden. Das bedeutete: Es musste ein ordentliches Schulhaus gebaut werden, fand der Unterricht doch bisher in den Räumen des Internates statt. Mit finanzieller Hilfe der Stadt Geilenkirchen wurde deshalb in den Jahren 1915 bis 1917 der heutige „Altbau“ errichtet.
Nicht zuletzt wegen der Kriegsereignisse, aber auch wegen der wachsenden Größe des Konvents erfolgte 1918 die offizielle Trennung des Klosters vom Venloer Haus, so dass die Geilenkirchener Ursulinen fortan wieder selbständig waren. Als Nachwirkung des Ersten Weltkrieges war man aber in der Nutzung des neuen Schulhauses zunächst noch eingeschränkt: Im Erdgeschoss befand sich noch lange ein Bezirkslazarett der Belgier und Franzosen.
Den vor dem Krieg eingeschlagenen Weg des Ausbaus der Schule setzten die Ursulinen auch nach dem Kriege fort. Mit der 1924 erfolgten staatlichen Anerkennung als Oberlyzeum – das meint in unserem Sprachgebrauch heutzutage ein Gymnasium – war die Voraussetzung für die Abnahme von Abiturprüfungen gegeben: Das erste Abitur fand deshalb 1927 statt.
Der Schule war daraufhin keine lange unbehelligte Lebenszeit beschieden. Durch den seit 1933 politisch tonangebenden Nationalsozialismus geriet das Kloster bald unter Druck. Der totalitäre Anspruch des Regimes machte auch vor der Pforte der Ursulinen nicht Halt: 1938 mussten die Schwestern den Kindergarten schließen; die Schule konnte noch bis 1940 gehalten werden, wurde dann verstaatlicht und als Nikolaus-Becker-Schule weitergeführt. Die Übernahme des Internates durch staatliche Stellen konnte erst 1942 geregelt werden. Dabei verblieb den Ursulinen die hauswirtschaftliche Leitung; alle übrigen Bereiche – z.B. Erziehung, Betreuung – waren ihnen verwehrt.
In dieser Zeit hatten sich auch bereits Einheiten der Wehrmacht und der SS im weitläufigen Schul- und Klosterareal einquartiert. Mit dem Heranrücken der Front im September 1944 wurde die Lage kritisch. Die Anlage lag unter Beschuss und nahm schon schweren Schaden. Den Ursulinen verblieb nur die Flucht. Vor dem Einrücken der Alliierten am 19.11.1944 zerstörten deutsche Einheiten mittels Sprengung das Klostergebäude, also das Haus auf der alten Kernburg, die Kapelle und den Verbindungsbau zur Vorburg, das Internat. Das erst knapp drei Jahrzehnte zuvor errichtete Schulhaus überstand die Aktion mit sehr schweren Schäden, die das Gebäude bis heute sichtbar prägen. Erhalten blieben daneben – freilich auch schwer beschädigt – das barocke Torhaus sowie ein im Kern noch spätmittelalterlicher Flügel der Vorburg.
Mit und mit kehrten nach Kriegsende seit Mai 1945 die Schwestern des Konvents in die Ruine ihres einst beeindruckenden Besitzes zurück. Der Konvent war seit Ostern 1946 wieder vereint. Den Schulbetrieb hatte man bereits zum 1. Februar 1946 von unten beginnend wieder aufgenommen. Das bedeutete: Es existierten jetzt formal zwei Schulen nebeneinander – das alte verstaatlichte Gymnasium unter dem nunmehrigen Namen Hildegard-Schule sowie das neue, im Aufbau begriffene Gymnasium der Ursulinen. Die Hildegard-Schule war dabei auslaufend und verfiel nach ihrem letzten Abitur 1951 der Auflösung. Bei den Ursulinen fand das erste Abitur 1952 statt. Die anfangs noch lange kaum haltbaren räumlichen Bedingungen für den Schul-, Internats- sowie Klosterberieb besserten sich erst grundlegend mit dem Neubau des Internats 1949/50, des Klosters, das Reste der historischen Substanz einbezog, in den Jahren 1954/55 und der Errichtung einer neuen Klosterkirche 1955/56.
Mit den rasch steigenden Schülerzahlen bildeten sich zwei Zweige innerhalb der Institution heraus: einerseits das klassische Mädchengymnasium, anderseits die Frauenoberschule, die ihr erstes Abitur 1970 durchführen konnte. Das Erziehungskonzept beider Anstalten blieb letztlich dem traditionellen Frauenbild verhaftet. Mit der abnehmenden Zahl der Schwestern im Konvent war das Kloster gezwungen, zunehmend weltliche Lehrkräfte anzustellen, was aufgrund veränderter Rahmenbedingungen sich auch finanziell für den Schulträger als zunehmend problematisch herausstellte. Mit Hilfe der öffentlichen Hand konnte aber noch 1962/63 der heute sogenannte „Neubau“ mit Pausenhalle als weiteres Schulhaus errichtet werden, der der positiven Entwicklung der Schule Rechnung trug. 1974 folgte im baulichen Anschluss entlang der Wurm außerdem die große Turnhalle. Beide Baumaßnahmen verkleinerten den großen Schul- und Klostergarten erheblich, und es verschwanden auch die letzten Reste der Wassergräben rund um die alte Burganlage.
Ein großer Einschnitt kam mit der Entwicklung Geilenkirchens zur Garnisonstadt 1969. Nicht nur, dass die Ursulinen ab 1970 die Koedukation einzuführen gezwungen waren, sondern jetzt begann diejenige Phase, die bis heute andauert und die der Schule vor allem durch den Zuzug von Familien aus vielen Nato-Staaten ein buntes, weil internationales Gesicht verleiht.
Die Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts brachten darüber hinaus weitere gravierende Änderungen: Mit der Schließung des Aufbaugymnasiums der Steyler Patres am Loherhof 1974 kamen die ersten Jungen in die Oberstufe und machten hier 1977 Abitur. Die Schulleitung wechselte 1974 in weltliche Hände, weil die Ursulinen auf Grund ihrer Überalterung nicht mehr in den Lage waren, diese Stelle zu besetzen. Die Abgabe der Schule 1978 in die Trägerschaft des Bistums war dann nur noch eine logische Konsequenz. Die Amtszeit des ersten weltlichen Schulleiters Karl Eschweiler war vor allem durch die Etablierung einer soliden modernen Struktur gekennzeichnet, so dass unter seiner Leitung die Schülerzahlen weiter anstiegen und die Schule einen guten Ruf genoss.
Mit dem Wechsel der Schulleitung hin zu Matthias Küsters im Jahre 1993 setzte sich diese Entwicklung weiter fort. In Küsters‘ Amtszeit fielen deshalb auch wieder erhebliche Baumaßnahmen, die einerseits der Vergrößerung des Raumangebots dienten, anderseits aber auch – oft Hand in Hand gehend – die Ausstattung der Schule stetig verbesserten. So konnten 1998 das ehemalige Kloster sowie die ehemalige Ursulinenkirche als Unterrichtsräume bzw. Aula der Schule zugeschlagen werden. Das von den sechs verbliebenen Ursulinen noch 1996 bezogene neugebaute Kloster wurde im Jahre 2000 als Haus für den Biologieunterricht eingerichtet, weil die Schwestern in ein Altenheim umgezogen waren. Aus Mitteln der Elternhilfe konnte 2006 schließlich ein weiterer Trakt mit Klassenräumen im Garten der Schule errichtet werden. Parallel zu diesen großen Baumaßnahmen investierte der Schulträger große Summen in den weiteren Ausbau der Unterrichtsräume wie auch in die Sanierung der vorhandenen Substanz.
Der Nachfolger von Matthias Küsters, Jürgen Pallaske, übernahm deshalb im August 2013 ein gepflegtes Ensemble von Bauten mit einer florierenden Schule von großer Attraktivität. Das Anliegen von Jürgen Pallaske ist es, besonders die systematische Schul- und Unterrichtsentwicklung zum Schwerpunkt seiner Amtszeit zu machen. Diese vollzieht sich seitdem in verschiedenen Bereichen, die wiederum ineinandergreifen. Näheres dazu finden Sie unter dem Menüpunkt „Aktuelle Schulentwicklung“.
Äußere Zeichen der Schulentwicklung in den letzten Jahren sind weitreichende Baumaßnahmen: Die Sanierung des ursprünglich als Unterkunft für den Klostergeistlichen und danach jahrzehntelang durch den Hausmeister genutzten Wohnhauses neben dem barocken Torbau, das nunmehr als Schulbistro genutzt wird; die Sanierung des schuleigenen Sportplatzes jenseits der Wurm und seine Neugestaltung als Kunstrasenplatz; die Errichtung eines Neubaus auf dem Schulgelände versehen mit der modernsten technischen und digitalen Ausstattung, der die sogenannten „Gartenhäuser“, in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Provisorien erbaute Unterrichtsräume, ablöste.
Mit seiner Architektur und baulichen Gestaltung schlägt das neue „Gartenhaus“ eine Brücke zwischen dem traditionellen Altbau und dem Aufbruch in eine neue Zeit und spiegelt damit die Verbindung von Tradition und Innovation als Merkmal unserer Schulentwicklung wider. Zugleich symbolisiert die lichte und transparente Bauweise die Offenheit der Schule gegenüber ihrer Umgebung und betont damit einen bedeutenden Leitgedanken der Ausrichtung unseres Gymnasiums.
Mit diesen Tendenzen hat sich das Bischöfliche Gymnasium St. Ursula in den vergangenen Jahren auch im Kontext der übrigen Gymnasien des hiesigen Raumes sehr gut positioniert. Die weitere Entwicklung besitzt folglich eine solide Basis. Die Zukunft bleibt spannend!