Exkursion von Schülerinnen und Schülern der Q1 zum PolitikTag in Aachen

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Datum:
Mo. 3. Juni 2019
Von:
Katrin Mader-Bleimann

„In welcher Lage befindet sich Europa heute?“ Diese Frage stellte Winston S. Churchill ca. ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges und blickte dabei auf die Zerstörung zahlreicher Städte, auf Verluste, Wut, Angst, Hunger und Verzweiflung der Menschen und nicht zuletzt auf die tiefen Wunden zwischen den einzelnen Völkern. Um Freiheit, Sicherheit und Frieden erreichen zu können, gab es für Churchill nur eine einzige Antwort: Die Erschaffung einer Art „Vereinigte Staaten von Europa“. Mehr als 70 Jahre später dürfen wir heute in einem wirtschaftlich starken, in weiten Teilen demokratisierten und freien Europa leben. Wir dürfen nach unzähligen Jahren militärischer Aggression auf eine Phase zurückblicken, in der sich die Länder der Europäischen Union untereinander ohne Waffengewalt friedlich verständigt haben und europäische Bürger ihre Nachbarstaaten nicht etwa der Eroberung und Unterwerfung wegen, sondern zum kulturellen Austausch, zum Arbeiten, Studieren und Handeln besuchen. Und doch müssen wir uns heute mit Blick auf den eventuell anstehenden Brexit, auf die kommende Europawahl und auf die Prognosen über das Abschneiden antieuropäischer und nationalistischer Parteien die Frage stellen, ob sich Europa auf dem Scheideweg befindet.

Unter dieser Fragestellung stand der PolitikTag zur Europawahl, dem die beiden Sozialwissenschaften/Wirtschaft-Kurse der Q1 von Frau Nowak am vergangenen Dienstag beigewohnt haben. Der Tag begann mit einem – ganz im Sinne seines Mottos „Wir sind Europa“ – ökumenischen Wortgottesdienst unter der Leitung von Dompropst Manfred von Holtum im Aachener Dom. Anschließend wurden die Schülerinnen und Schüler in einem Kurzvortrag auf die Besonderheiten des Doms hingewiesen, beispielsweise auf das karolingische Oktogon, in dem Karl der Große – der Pater Europae – historischen Aufzeichnungen zufolge begraben wurde. Nach einem gemeinsamen Fußweg zum Rathaus eröffnete Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU) offiziell den Tag. Er betonte vor allem die Bedeutung der Stadt Aachen für Europa, in der neben anderen wichtigen europäischen Prozessen der Karlspreis verliehen wird. Er ermutigte die anwesenden Studierenden und Schülerinnen und Schüler zur aktiven Teilnahme an Europa, in dessen Zukunft er positiv blicke. Anschließend moderierte Nils Thieben, Leiter der Medienwerkstatt der Konrad Adenauer Stiftung, die zu diesem Tag eingeladen hatte, den Vortrag von Bundestagspräsident a. D. Prof. Dr. Norbert Lammert an. Lammert äußerte sich eingangs zutiefst erschüttert über die Zahlen des aktuellen ZDF-Politbarometers, nach denen sich 59% der Bürgerinnen und Bürger wenig oder gar nicht für die anstehende Europawahl interessieren würden. Über die aktuelle Verfassung Europas urteilte er differenziert. Einerseits sei unser Kontinent historisch betrachtet nie in einer besseren Lage gewesen. So könne die aktuell lebende Generation zum ersten Mal frei – d. h. ohne militärischen Druck von außen – entscheiden, was sie aus Europa macht. Andererseits habe sich jedoch die politische Gemeinschaft seit Gründung der Montanunion nie in einer miserableren Lage befunden. So kritisierte Lammert, dass die nach dem Zweiten Weltkrieg gewonnene Einsicht, dass Europa nur vereint eine Chance habe, in Zeiten des Brexit offenbar keine ausreichende Motivation mehr darstelle, die begonnene Integration fortzusetzen. Vielmehr würden nationale Alleingänge und die Frage, wer der wichtigste von allen Mitgliedern sei, an Bedeutung gewinnen. Umso eindringlicher erschien sodann sein anschließender Appell, den Einigungs- und Integrationsprozess weiter voranzutreiben. In Zeiten der Globalisierung sei der so oft beklagte Souveränitätsverlust unvermeidbar, ein vereintes Europa hingegen die beste Antwort nicht nur auf die Globalisierung selbst, sondern auch auf die Digitalisierung. Um die Notwendigkeit einer stärkeren Integration der europäischen Partner zu verdeutlichen, konstatierte er, dass die gesamte EU selbst vereint nur 6% der Weltbevölkerung ausmacht und Deutschland als einziges der 28 Länder die 1% Grenze überhaupt überschreitet. Abschließend appellierte Lammert an sein anwesendes Publikum und betonte die Verantwortung der jungen Generation für Europa. Das Brexit-Referendum von 2016 sei beispielhaft dafür, was passiere, wenn die junge Generation ihrer Verantwortung nicht gerecht wird. So hätten sich nur ein Drittel der britischen Jugendlichen an dem äußerst knapp ausgegangenen Referendum beteiligt. Eine stark partizipierende Jungend hätte hingegen einen anderen Ausgang des Referendums bewirken können.

            Lammert erhielt für seine Rede enormen Zuspruch, was – nach einem würdigen Applaus – sowohl die Zuschauermeldungen als auch die anschließende Podiumsdiskussion zeigten, in der sich ebenfalls der gemeinsame Duktus herauskristallisierte, die Zusammenarbeit in Europa weiter zu vertiefen. Wenngleich der PolitikTag an dieser Stelle für die Schülerinnen und Schüler der Q1 offiziell beendet war, so hielten diese doch das Thema auch auf der Rückfahrt zur Schule aufrecht und diskutierten angeregt über die gewonnenen Eindrücke. Vor allem aus zwei Gründen können junge Europäer diesen Tag positiv in Erinnerung behalten. Zum einen wurde – insbesondere durch Herrn Lammert – die enorme Bedeutsamkeit einer internationalen Verflechtung, Integration und Zusammenarbeit noch einmal hervorgehoben, was in Zeiten des Brexit und dem Auftreten aniteuropäischer Parteien notwendig erscheint. Zum anderen zeigte der PolitikTag in Aachen aber auch, dass die junge Generation durchaus interessierter und motivierter an Europa ist als es sporadisch im öffentlichen Diskurs dargestellt wird.