Gastvortrag am 23. November 2022: „Chinas Griff nach der Weltmacht – Sind Europa und der Westen am Ende?“

Renommierter NZZ-Journalist Jürgen Kahl besucht das Bischöfliche Gymnasium Sankt Ursula Geilenkirchen

Aula (c) Bischöfliches Gymnasium Sankt Ursula Geilenkirchen (Dominik Esser)
Datum:
Mi. 2. Nov. 2022
Von:
Katrin Mader-Bleimann und Sebastian Tschakert

Nach einer langen Corona-Pause freut sich das Bischöfliche Gymnasium Sankt Ursula, die bestehende Kooperation mit Herrn Professor Wassenberg und der Europa-Union fortführen zu können. Wir beginnen am Mittwoch, dem 23. November 2022, mit einem interessanten und höchst aktuellen Vortrag des China- und Ostasienexperten Jürgen Kahl mit dem Titel „Chinas Griff nach der Weltmacht – Sind Europa und der Westen am Ende?“ Die Veranstaltung findet in der Aula unserer Schule statt. Beginn ist um 19:30 Uhr. 

Alle Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern und Interessierte sind herzlich eingeladen, an der Veranstaltung in unserer Aula teilzunehmen. Im Anschluss an den Vortrag besteht die Möglichkeit, Fragen zu stellen und eine Diskussion anzuregen. Der Eintritt ist frei. Genauere Informationen sind dem Ankündigungstext des Referenten Jürgen Kahl zu entnehmen:

Im Jahr 1972, also vor 50 Jahren, haben die damalige Bundesrepublik und die kommunistisch regierte Volksrepublik China noch zu Lebzeiten von Mao Tse-tung diplomatische Beziehungen aufgenommen.  Anders als bei den vorausgegangenen Jubiläen sind die politischen, aber auch die Sympathien in der deutschen wie in der westlichen Öffentlichkeit insgesamt nicht nur geschwunden, sondern haben einem tiefen, auch von Selbstbehauptungsängsten geschürten Misstrauen in die globalpolitischen Ambitionen der asiatischen Supermacht Platz gemacht.

Dementsprechend haben sich in der EU ebenso wie in den USA die politischen Gewichtungen im Umgang mit China verschoben. Statt die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wie jahrzehntelang zuvor als begehrten Wirtschaftspartner zu umwerben, bestimmt die Einschätzung Chinas als gefährlichster Konkurrent und „systemischer Rivale“ das politische Handeln. Der Kurswechsel hin zur Konfrontation mit dem autoritär regierten Riesenreich geht im Wesentlichen auf zwei Entwicklungen zurück: Unter dem seit 2012/13 amtierenden Staats- und Parteichef Xi Jinping wird die chinesische Innen- und Gesellschaftspolitik von zunehmender Repression bestimmt. Das gilt für den Umgang mit Dissidenten und ebenso für die massive Unterdrückung von nationalen Minderheiten, die im Fall der muslimisch geprägten Uiguren in der Westprovinz Xinjiang extreme Formen angenommen hat und international  auf Empörung und Verurteilung gestoßen ist.

Neben den eklatanten Menschenrechtsverstößen im Widerspruch zur westlichen Werteorientierung präsentiert sich China mit seinem aggressiven Auftreten im Südchinesischen Meer und im Umgang mit der als chinesisches Hoheitsgebiet beanspruchten Inselrepublik Taiwan außerdem als eine revisionistische Macht – mit dem Bestreben, sich im Rollentausch mit den USA  nicht nur als dominierende Vormacht in Ostasien und im Pazifik zu etablieren, sondern auch die regelbasierte internationale Ordnung nach seinen Interessen umzugestalten. Dem entspricht der enge Schulterschluss, den Xi Jinping mit Wladimir Putin vollzogen hat und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt.

Einen Monat nach dem für Ende Oktober angekündigten 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) bietet der Vortrag eine günstige Gelegenheit für eine nüchtern analysierende Zwischenbilanz. Dabei stellen sich folgende Kernfragen: Wie real ist die Bedrohung, die von China ausgeht, tatsächlich und inwieweit spiegelt sich in dieser Einschätzung die eigene Schwäche und das angeschlagene Selbstvertrauen des Westens wider? Wie stabil und zukunftsfähig ist die Herrschaft der Kommunistischen Partei angesichts der akuten wirtschaftlichen Schwierigkeiten, des gesellschaftlichen Wandels und der ungelösten strukturellen Probleme des Landes? Und was bedeutet es für die Bewältigung der großen globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel, wenn bei der Konfrontation zwischen dem Westen und China die Basis für den Dialog und der Wille zur Kooperation bei unaufschiebbar drängenden gemeinsamen Anliegen verloren geht?   

Jürgen Kahl (Autorenfoto) (c) Jürgen Kahl

Jürgen Kahl ist als Journalist (Neue Zürcher Zeitung) und Publizist seit über 40 Jahren mit China und Ostasien vertraut. Nach dem Studium der Geschichte, Politikwissenschaft und Germanistik an den Universitäten Aachen, Tübingen und Köln spezialisierte er sich auf China und die Region über ein mehrjähriges Postgraduierten-Stipendium der Stiftung Volkswagenwerk mit Sprach- und Feldstudien in Taiwan, Hongkong und in der Volksrepublik. Nach dem Volontariat bei der der Deutschen Presse-Agentur (dpa) arbeitete er als dpa-Korrespondent  im damaligen Bundesbüro Bonn und anschließend in Tokio. 1985 übernahm er für die folgenden sieben Jahre die Leitung des damals von der NZZ und der Süddeutschen Zeitung gemeinsam getragenen Korrespondentenbüros in Peking. Die danach fortgesetzte Beschäftigung mit der Region hat sich in einer Vielzahl von Reisen und Veröffentlichungen niedergeschlagen. Jürgen Kahl arbeitet aktuell als Autor und Kommentator für die NZZ und ist außerdem als Berater für verschiedene politische Stiftungen tätig.