Aktuelle Abiturhilfen für das Fach Deutsch und ein Ausblick auf eine „absolut lesenswerte“ künftige Pflichtlektüre: Bernward Coers präsentiert Arno Geigers „Unter der Drachenwand“

Coers' Kolumne (c) www.pixabay.com
Datum:
Mi. 22. Apr. 2020
Von:
Dominik Esser

Im Bereich Arbeitshilfen auf der Seite des Faches Deutsch dieser Homepage finden sich mittlerweile einige Lektürehilfen, die Oberstufenschülerinnen und -schülern des Bischöflichen Gymnasiums Sankt Ursula Geilenkirchen bei der Erschließung verschiedener literarischer Texte helfen können. Darunter etwa Ausarbeitungen zu Nathan der Weise (Gotthold Ephraim Lessing), Das Haus in der Dorotheenstraße (Hartmut Lange), Sommerhaus, später (Judith Hermann) und Faust. Der Tragödie Erster Teil (Johann Wolfgang von Goethe). 

Die Sammlung, die durch seine mittlerweile prall gefüllte Kolumne ergänzt wird, stammt mit Unterstützung einzelner Kolleginnen und Kollegen aus der Feder des ehemaligen Deutschlehrers Bernward Coers, der nach seiner Pensionierung im Jahr 2018 natürlich die Liebe zur Literatur und zum Fach Deutsch nicht verloren hat.  

Dass dies Kolleginnen und Kollegen sowie vor allem Schülerinnen und Schülern zugutekommen kann, zeigt auch sein aktuelles Werk. Der fast 500 Seiten umfassende Roman „Unter der Drachenwand“ des österreichischen Autors Arno Geiger wurde von Coers in detaillierter Kleinarbeit geordnet, strukturiert und mit einer persönlichen Note fundiert kommentiert. Seine Ausführungen dazu umfassen vier Teile (Allgemeine Information, Aufbau, Figuren des Romans sowie eine Inhaltsbeschreibung aller Kapitel). „Jeder kann sich dann das ausdrucken, was er benötigt“, sagt Coers zu seinem Werk, der die Auswahl des Romans für den Abiturjahrgang 2022 lobt, was auch in seinem Vorwort deutlich wird. Coers‘ „Allgemeine Information zum Roman“ ist unter dieser Einleitung gekürzt nachzulesen. Die gesamte Ausarbeitung steht hier zum Download bereit.

Drachenwand, Mondsee (c) www.pixabay.com

Es ist tatsächlich eine glückliche Entscheidung des nordrhein-westfälischen Bildungsministeriums, den 2018 erschienenen Antikriegsroman „Unter der Drachenwand“ des österreichischen Autors Arno Geiger in den Kanon der Pflichtlektüren für die Abiturprüfungen im Leistungskurs Deutsch von 2022 an aufzunehmen. Denn dieses beeindruckende literarische Werk ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: Es schildert wie in einem Tagebuch das letzte Jahr des 2. Weltkriegs aus der Perspektive des jungen österreichischen Soldaten Veit Kolbe aus Wien, der im Fronteinsatz in Russland schwer verwundet wurde und nun versucht, seine körperlichen und seelischen Verletzungen, vor allem seine posttraumatische Belastungsstörung, in dem kleinen Ort Mondsee in der Nähe von Salzburg auszukurieren.

Da der junge Mann nicht viel älter ist als die künftigen Abiturienten, die den Roman lesen (müssen), bietet er den Lesern viele Identifikationsmöglichkeiten mit der Hauptfigur, deren Lebenspläne und -träume der Krieg jäh und grausam zerstört, weil Veit von der Schulbank weg zum Militär eingezogen wurde und ihm jetzt Motivation und Kraft zu erneutem Lernen fehlen. Das beabsichtigte Studium an der Technischen Hochschule rückt für ihn in unerreichbare Ferne. Veit Kolbe hat nach vierjährigem Kriegseinsatz im wahrsten Sinne des Worts die Schnauze voll vom Krieg und distanziert sich aufs Schärfste von der Kriegsbegeisterung, dem Glauben an den Endsieg und der Hitler-Begeisterung seiner österreichischen Landsleute, besonders seines Vaters, dessen Nazi-Überzeugungen er in zunehmendem Maße nicht mehr ertragen kann. Daher zieht er sich an den Mondsee zurück und hofft, vor dem ersehnten Ende des Kriegs nicht so gesund zu werden, dass er erneut zum Dienst an der Front einberufen wird.

Während die meisten Menschen in seiner Umgebung in ihm den miles gloriosus, den auf den Sieg versessenen glorreichen Kämpfer für Volk und Vaterland sehen wollen – selbst eine junge Nonne grüßt ihn strahlend mit dem Victory-Zeichen, als sie ihn als Soldaten erkennt (S. 54) –, lehnt er alles kriegerische Heldentum entschieden ab, weil er im russischen Morast erfahren hat, dass der Soldatentod nicht süß und ehrenvoll ist, sondern ein elendes Verrecken im Dreck. Diesem Schicksal ist er beim Granatenbeschuss anders als sein Fahrer nur um Haaresbreite entgangen. Da er die Verlogenheit all der kriegsverherrlichenden Dummschwätzer erkannt hat, wählt er für sich ganz bewusst die Rolle des Antihelden und Kriegsgegners, die er offensiv zu vertreten bereit ist. [...]